"Wenn die Meere sterben, sterben wir."
Nha Trang ist eine Küstenstadt im Süden Vietnams mit über 400.000 Einwohnern. Die zusätzliche Anzahl der Touristen würde uns sehr interessieren, denn nicht ohne Grund wird Nha Trang als das touristische Zentrum Vietnams deklariert. Mit einer mittleren Jahrestemperatur von 27 °C und einem Sandstrand, der für viele Kilometer die Stadt säumt, sind die Voraussetzungen dafür denkbar gut.
Die Strandpromenade ist über einen Park von der Straße getrennt, sodass man ganz entspannt am Strand entlang schlendern kann, ohne viel von dem immensen Verkehrsaufkommen der Stadt mitzukriegen. Teilweise befindet sich die Parkanlage noch im Bau und im Süden hört sie irgendwann plötzlich auf. Auf der anderen Straßenseite reihen sich Hotels dicht an dicht nebeneinander, ähnlich wie es in Da Nang der Fall ist. Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied zu Da Nang: In Nha Trang sahen wir keine verfallenen und halb fertig gebauten Hotels. Hier sieht alles pompöser und gepflegter aus, zumindest auf den ersten Blick. Es brauchte nur einen kurzen Ausflug auf das Dach unseres Hotels, um ähnliche Bilder wie in Da Nang zu sehen.

Biegt man nur in die Seitenstraßen hinter den Hotels ein, sieht man unvermeidbar die heftigen Auswirkungen des Massentourismus in dieser Stadt. Kaum verließen wir unser Hotel, hatten wir ein ähnliches Tourismuserlebnis wie in Hanoi. Alle paar Meter wurden wir mit „Fuumassaa“ angesprochen, vor jedem Laden und Restaurant stand jemand und bewarb äußerst aufdringlich das jeweilige Angebot und die Anzahl an Sonnenbrillen, die uns präsentiert wurden, waren gefühlt endlos. Besonders grotesk erschien uns, dass auf der von der Stadt aus gut sichtbaren, drei Kilometer entfernten „Bambusinsel“ ein gigantisches Resort mit dazugehörigem Vergnügungspark steht. Vor allem nach Sonnenuntergang sticht diese Eskalation des Massen- und Vergnügungstourismus durch die grelle und bunte Beleuchtung besonders ins Auge. Das blinkende Riesenrad ist vom ganzen Strand aus zu sehen. Als wir an der Strandpromenade entlang gingen, machten wir eine Beobachtung, die uns überraschte: Besonders unsere russischen Mitmenschen scheint Nha Trang zu begeistern, denn ihre Anwesenheit ist allgegenwärtig und nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen. Es scheint, als gäbe es in Nha Trang mehr Schilder auf Russisch als auf Englisch und auch wir wurden häufig auf Russisch angesprochen.
Nha Trang war nur als kurzer Zwischenstopp auf unserer Reise Richtung Süden vorgesehen und da unser Interesse, eine weitere vietnamesische Großstadt zu erkunden, denkbar gering war, entschieden wir uns, einen Tag tauchen und schnorcheln zu gehen. Im Internet haben wir oft gelesen, dass Nha Trang sehr gut zum Tauchen geeignet sei. Typisch für die vietnamesischen Touren in der Tourismusbranche ging es früh los und alles war strikt organisiert. Als wir mit dem Boot für eine Stunde den ersten Tauchspot aufsuchten, hatten wir Zeit, uns auszumalen, was uns die vietnamesische Unterwasserwelt wohl so bieten wird. Am ersten Spot angekommen, ging es dann auch direkt ins Wasser und ans Abtauchen (schließlich hatten wir einen straffen Zeitplan). Der erste Anblick der Unterwasserwelt versetzte mich in Ernüchterung und Erstaunen zugleich. Außer Seeigel und Seesterne gab es nicht viel zu sehen. Die Tierwelt fiel nur durch ihre Abwesenheit auf, denn Fische und weitere Meeresbewohner waren kaum aufzuspüren. Einige interessante Beobachtungen konnten wir schließlich trotzdem noch machen und als es Zeit zum Aufbrechen war, waren wir gespannt, ob wir am zweiten Tauchspot mehr zu sehen bekommen würden. Beim zweiten Tauchgang war es allerdings ähnlich wie beim ersten. Aufgefallen ist hier zusätzlich der viele Müll auf dem Meeresgrund (Fischernetze, Reifen, Plastik). Wirklich außergewöhnlich waren jedoch die riesigen und unterschiedlichen Korallen, die im flachen Gewässer an der Küste wachsen. Diese hatten Ausmaße, die wir zuvor noch nicht gesehen haben. Trotzdem war die nahezu unbewohnte und unbelebte Korallenlandschaft ein komischer und unerwarteter Anblick.
Als wir abends durch die Straßen gingen und die vielen Fischrestaurants sahen, die ihre Ware offen an der Straße präsentieren, wurde uns wieder bewusst, wie viel Meerestiere in Vietnam eigentlich gegessen werden. Unser Erlebnis, beim Tauchen keine Fische zu sehen, hat uns dann nicht mehr überrascht. Wie soll man noch Tiere im Meer sehen können, wenn man sie alle zum Essen ausbeutet? Während unserer Interaktionen mit den im Tourismus arbeitenden Vietnamesen, hatten wir häufig den Eindruck, dass diese von uns Touristen (verständlicherweise) sehr genervt waren. Dieses Gefühl hatten wir in dieser Art und Intension bisher an keinem anderen Ort in Vietnam. Bei dem immensen Ansturm an Touristen ist es jedoch auch besonders hervorzuheben, wie freundlich die meisten Vietnamesen in Nha Trang dann doch zu uns waren.